Vielleicht will ich einfach mal fallen gelassen werden. Um zu sehen, ob ich überhaupt in der Lage wäre, zu fliegen.
Dradra & Trici – Flügelschwingen – Lebensangst und Todesmut
Titel: Flügelschwingen – Lebensangst und Todesmut
Autor: Dradra & Trici Grimm
ISBN: 978-3748105053
Klappentext:
Nach nichts sehnt sich Katiya mehr, als das Feuer des Lebens zu spüren. Bei Nacht und Nebel flieht sie aus dem Herrenhaus ihrer Familie zu ihrer außer Rand und Band geratenen Cousine Sachi. Sachi führt Katiya in die Welt, die ihr bislang bloß als die des Gesindels bekannt gewesen war. In Sachis Motorradwerkstatt trifft Katiya den Handlanger Yuriy. Als Yuriy den Auftrag bekommt, Katiya nach Hause zurück zu entführen, eskaliert das, was als Flug in die Freiheit begonnen hat, zur Katastrophe.
Spannung:
Humor:
Liebe:
Erotik:
Anspruch:
Die Idee hinter dem Buch
Wer erwartet, dass Flügelschwingen ein Buch wie jedes andere ist, der irrt sich. Als Autorin lernt man, was sich für ein ordentliches Buch gehört. Wie Szenen und Spannungsbögen aufgebaut zu sein haben. Doch dieses Buch bricht diese Regeln gekonnt und mit voller Absicht. Vielleicht mag es daran liegen, dass ich normalerweise keine Thriller lese. Doch wirklich einem Thriller zuzuordnen, ist dieses Buch ebenfalls nicht. Das ist das Schöne am Selfpublishing: Man wagt sich Dinge, die man sich bei einem Verlag niemals trauen würde. Geht Wege abseits der Norm. Und schafft damit etwas außergewöhnliches. Ob mir das gefallen hat? Erfahrt es in meiner Rezension.
Charaktere aus Flügelschwingen
Flügelschwingen spielt in der fiktiven Stadt Aschenburg, die jedoch eine normale Stadt in Deutschland sein könnten. Die mächtigen Gründerfamilien haben das Sagen und Katiya ist in einer dieser Familien aufgewachsen. Stets behütet, immer als Vorzeigetochter behandelt, steckt sie in einer Identitätskrise. Lebt sie wirklich nur für das Ansehen ihrer mächtigen Familie? Um zu sich selbst zu finden und einer arrangierten Ehe zu entgehen, flieht sie und landet bei ihrer Cousine Sachi.
Sachi stammt ebenfalls von einer der mächtigsten Familien ab, die durch eine finanzielle Fehlinvestition ihre Macht verloren hat. Irgendwie gehört sie nirgendwo richtig dazu. Durch ihre bunte Frisur und der Entscheidung als Mechanikerin in einer Werkstatt zu arbeiten, setzt sie ein Zeichen. Sie und Katiya mögen sich anfangs nicht. Und doch wachsen sie irgendwie zu einer Einheit zusammen.
Dann ist da noch Yuriy, der gerade aus dem Gefängnis entlassen wurde und bei Sachi in der Werkstatt anfängt zu arbeiten. Er jagt Katiya Angst ein und fasziniert sie gleichermaßen. Könnte in dem Ex-Knacki vielleicht doch ein intelligenter Mann stecken, der es nicht rechtzeitig geschafft hat, die Fäden zu kappen?
Alle drei sind so unterschiedlich und auf ihre Art und Weise interessant. Und doch haben sie Eines gemeinsam: Sie fühlen sich gefangen in den Rollen, die sie in diesem Spiel spielen. Werden sie es schaffen die Fäden zu kappen und selbst zu Puppenspielern zu werden?
Umsetzung:
Wortgewaltig, Charakterstark und mit viel Tiefgang. Flügelschwingen ist ein Roman, der von seinen Charakteren getragen wird. Die Handlung ist durchaus interessant, spannend und mit Action geladen. Dennoch ging es im Roman stellenweise sehr ruhig voran. Ein paar Passagen waren mir persönlich zu langatmig. Die Rückblenden in die Vergangenheit fand ich wichtig, um noch tiefer in die Gefühlswelt der Charaktere abzutauchen. An manchen doch eher spannenden Stellen, bremsten sie jedoch die Handlung aus.
Der erste Teil des Buches baut sich langsam auf, wir lernen die Charaktere kennen, Konflikte spitzen sich zu und durch eine actiongeladene Szene kommt alles zum Wendepunkt. Bis dahin war die Spannung ganz bei mir. Danach begann die Geschichte große Zeitsprünge zu machen, was auf der einen Seite verständlich ist, denn die darauf resultierende Charakterentwicklung kommt nicht von heute auf morgen. Auf der anderen Seite hatte ich das Gefühl, dass es mir zu schnell ging. Das ich etwas verpasst habe. Das alles auf den nächsten Teil des Buches hinarbeitet. Ein paar Rätsel sind bis zum Ende des Buches nicht aufgeklärt worden, bei denen ich mir eine Lösung bereits in diesem Teil gewünscht hätte. Mit seinen fast 600 Seiten besitzt der Roman bereits einen breiten Umfang, weshalb ich die Zeitsprünge verstehen kann. Trotzdem bauten sie eine Art Distanz zu den Charakteren auf, die bis dato nicht gegeben war. Wie bei einem guten Freund, den man ein Jahr lang nicht sieht und man erstmal alles Geschehene wieder aufholen muss.
Trotzdem fand ich die Geschichte alles in allem fesselnd. Ich liebe die Gespräche zwischen den Charakteren. Ihre Gedanken über das Leben und die Erkenntnisse, die ein jeder für sich sieht. Das Machtkonstrukt Aschenburgs baut die thrillerartige Stimmung und damit einhergehende Spannung auf. Die Zerissenheit der Charaktere ist spürbar. Die Prägung der Charaktere aus anderen Kulturen interessant.
Schreibstil und Lesefluss
Besonders großartig fand ich die passende Sprache der einzelnen Protagonisten. Während Katiya ihrer Erziehung zu verschulden, hochnäßig, neunmalklug und mit mehr Fremdwörtern als Füllwörtern im Satz spricht, beherrscht Sachi die Sprache der Gosse. Ohne einen Begleitsatz zu brauchen, weiß der Lesende, wer gerade das Wort hat. Die Sprache passt zu ihren Charakteren. Sprachliche Auffälligkeiten, die auf Dauer schwer zu lesen sind, wie starker Akzent oder Stottern, kam nur bei Nebencharakteren vor, sodass für mich der Lesefluss gegeben war.
Ansonsten fand ich den Schreibstil flüssig zu lesen, atmosphärisch und zum Abtauchen in die Buchwelt.
Fazit: Wem ich Flügelschwingen empfehlen kann
Flügelschwingen ist kein Roman wie jeder andere. Aber nicht im schlechten Sinne. Wer sich fernab der Norm geschriebener Bücher begeben will, in eine Stadt aus Machtkonstrukten und Verbrechen, jungen Erwachsenen auf der Suche nach sich selbst, dem Sinn ihrer Existenz und ihres Tuns und einer bildgewaltigen Sprache, der ist bei Flügelschwingen genau richtig aufgehoben. Die teils langatmigeren Stellen werden durch die Tiefe der Charaktere wieder wett gemacht. Wer die Charaktere in sein Herz schließt, der wird auch von vorne bis hinten mit ihnen mitfiebern können. Ich freue mich schon auf den zweiten Teil.
3 Fragen an die Autorinnen
- Ihr habt schon immer gerne Geschichten zusammen geschrieben. Wann kam euch die Idee zu den Charakteren zu Flügelschwingen?
Unsere Charaktere begleiten uns schon sehr, sehr lange. Woher die Ideen kamen, können wir gar nicht genau sagen.
Seit jeher erzählen wir unglaublich gern Geschichten. Angefangen haben wir ganz „klassisch“ mit Zeichnungen, kleinen Comics und in schriftlicher Form. Besonders viel haben wir aber auch gespielt: Mit Barbiepuppen, mit uns selbst, etc.
Dabei hatten wir eigentlich immer einen gewissen Cast, der in seinen Grundzügen der Besetzung von Flügelschwingen ähnelt. Beispielsweise hatten wir einmal eine Geschichte, die hieß „Evi und Mimi“. Darin ging es um ein Mädchen aus reichem Hause, das mit seiner besten Freundin Abenteuer erlebt. Die beiden haben sich kennengelernt, indem Evi Mimi mit ihrem City-Roller umgefahren hat. Wenn man so möchte, steckte auch in den beiden etwas von Katiya und Sachi.
Katiya war dann die Erste unseres Flügelschwingen-Casts, die wir erschaffen haben. Das ist mittlerweile schon 17 Jahre her. Damals hat sie zu einem ganz anderen Universum gehört. Ziemlich bald darauf ist dann auch eine allererste Vorversion von Sachi entstanden. Yuriy kam etwas später dazu. Doch alles in allem begleiten die drei uns schon sehr, sehr lange. Viele unserer Nebencharaktere haben wir ebenfalls schon seit über zehn Jahren, weswegen uns ein jeder auf seine Weise ans Herz gewachsen ist. Alles in allem war es uns schon immer wichtig, dass die Figuren, über die wir erzählen, ungewöhnlich sind. Sie waren Dämonenjäger, Magical Girls, Querdenker und Rebellen. Und auch, wenn es in Flügelschwingen nun keine Magie mehr gibt, sind unsere Protagonisten noch immer richtige Marken. - Mit Schlangenfrucht ist bereits das erste Spin-Off zu Flügelschwingen erschienen. Dabei wechselt ihr das Genre gerne durch. Welches Genre wollt ihr in Zukunft gerne einmal schreiben?
Uns fällt es unglaublich schwer, uns in ein Genre einzuordnen, da wir v.a. die Geschichte unserer Protagonisten erzählen möchten. Unsere Protagonisten sind verschieden wie Tag und Nacht und doch sind sie alle verbunden durch ihr Streben nach Freiheit und der Verwirklichung ihrer Träume – bei nicht ganz leichten Voraussetzungen.
Neben dem starken Fokus auf Charakterentwicklung, Emotionen und authentischen zwischenmenschlichen Beziehungen, ist uns die Spannung sehr wichtig.
Wir möchten unsere Leser fesseln und fühlen lassen, was unsere Figuren fühlen.
Flügelschwingen ordnen wir im Genre Thriller, New Adult und Literatur für junge Erwachsene ein. Doch wer das Buch kennt, weiß, dass wir mit vielen Klischees brechen, um eine lebendigere Geschichte zu erzählen. Vor allem im weiteren Verlauf werden wir in Flügelschwingen ernste Themen anschneiden. Dabei ist es uns trotzdem wichtig, dass sich die Geschichte locker liest. Es wird Stellen geben, die zum Lachen, zum Wohlfühlen und Schmachten einladen, während andere geladen von Spannung sind oder auch mal die ein oder andere Träne fließen lassen.
Unser erster Spin-Off Schlangenfrucht, in dem wir Yuriys Vorgeschichte erzählen, gehört ebenfalls in den Bereich New Adult. Hier und da verarbeiten wir Elemente aus dem Dark Romance Genre. Doch auch, wenn es viel um Liebe geht und es auch eine Sexszene gibt, ist Schlangenfrucht kein „klassischer Erotikroman“ für Zwischendurch. Unser Fokus liegt wieder auf dem, was das Geschehen mit den Charakteren macht. Eine große Rolle spielt neben den ernsten Themen wie Depression, Selbstverletzung und Suizid auch die Gang, in der Yuriy ist. Diese Gang untersteht dem System des organisierten Verbrechens in Aschenburg, das dem Leser auch später in Flügelschwingen begegnet.
Bei Sachis Spin-Off werden wir das Rock Star-Genre streifen und Katiyas Spin Off wird Elemente einer Familien-Saga und einer etwas anderen Liebesgeschichte haben. Doch auch hier möchten wir noch verstärkt Spannungselemente einbauen. Wie genau wir das gestalten, wissen wir noch nicht – aber wir sind zuversichtlich, dass uns noch was einfällt. - Zu euren Charakteren gibt es jede Menge 3D-Szenen, die ihr selbst erstellt habt und die immer realistischer wirken. Wie lange sitzt ihr an einer solchen 3D-Illustration?
Mit den 3D-Illustrationen haben wir angefangen, um unsere Bild-Ideen, die wir früher ausschließlich durch das traditionelle und digitale Zeichnen umgesetzt haben, schneller mit der Welt zu teilen. Bis zur Fertigstellung einer aufwändigeren 3D-Illustration vergehen dennoch meistens ein paar Tage – insbesondere, da das Rendern einfach sehr lange dauert.
Den ersten Entwurf zu bauen, dauert (je nach Umfang des Motivs) zwischen dreißig Minuten und mehreren Stunden. 3D-Illustratioen, die nur einen bereits erstellten Charakter mit einer einfach nachzustellenden Pose zeigen, gehen am schnellsten und sind schon nach ein paar Stunden fertig. Am zeitaufwändigsten ist es natürlich, die 3D-Charaktere erst einmal zu erstellen. Sobald ein Charakter gespeichert wurde, können wir ihn aber für jede neue Illustration verwenden.
Besuch die Autorinnen doch mal auf Instagram oder auf ihrer Webseite. Viel Spaß beim Schmökern.