Ich weiß noch, wie ich vor sechzehn Jahren ins Reformhaus in die nächstgrößere Stadt fahren musste, wenn ich ein vegetarisches Würstchen für den Grill brauchte. Dass es vegetarische Produkte im Supermarkt gibt, war damals undenkbar für mich. Heute finde ich wirklich überall ein breit gefächertes vegetarisches Angebot, das sogar als solches auf einen Blick zu erkennen ist! Auch Menschen mit Allergien haben es einfacher, indem sie im Restaurant eine Liste der Allergene erfragen können, um herauszufinden, was für sie essbar ist und was nicht. Das war nicht immer so.

Unsere Gesellschaft verändert sich. Warum also nicht auch die Buchbranche?

Die Frage nach Triggerwarnungen wird immer größere. Unter anderem vergeben Buchblogger schlechtere Rezensionen, wenn auf eine Triggerwarnung im Buch verzichtet wurde, bei denen eine angebracht wäre. Es ist schön, dass sie auf das Problem aufmerksam machen. Denn es gibt Menschen, die auf diese Triggerwarnungen angewiesen sind.

Ist jemand mit psychischen Problemen nicht selbst in der Verantwortung herauszufinden, ob er ein Buch lesen kann oder nicht?

Natürlich kennt sich jeder selbst am besten. Wenn mein Freund mit mir Schluss macht und ich Liebeskummer habe, will ich keine Bücher über glückliche Pärchen lesen. Das Thema triggert mich in dem Moment temporär und ich weiß, dass ich Liebesromane meiden sollte. Die sind in der Regel offensichtlich als solche zu erkennen. Aber es gibt eben auch Themen, die nicht auf den ersten Blick ersichtlich sind. Ein Liebesroman, bei dem plötzlich der Partner an Krebs erkrankt oder ein Mädchen ein Flashback bekommt, weil sie als Kind sexuell missbraucht worden ist, bauen in Büchern Spannung auf und klären noch dazu über wichtige Themen auf. Aber jemand, der selbst sexuell missbraucht worden ist, möchte vielleicht nicht alle Liebesromane nach triggernden Themen durchwälzen. Dadurch spoilert er sich bei potenziell lesbaren Büchern, nur um dem Thema zu entgehen. Mit einer Triggerwarnung erleichtern wir den Lesern, eine Entscheidung für unser Buch zu treffen, aber auch, sich auf ein Thema vorzubereiten.

Wenn jemand nicht in der Lage ist ein Buch mit Triggerthemen zu lesen, sollte er sich besser in Therapie begeben, oder nicht?

Stell dir vor, ein geliebtes Familienmitglied ist viel zu früh aus dem Leben gerissen worden. Du willst mit einem guten Buch der Realität für einen Moment entfliehen und dich ablenken und plötzlich stirbt die Mutter der Protagonistin bei einem Autounfall. Das tut weh und das kannst du in dem Moment nicht gebrauchen. Manche Dinge brauchen Zeit, bis man sie verarbeitet hat. Und gerade eine Therapie bei einer psychischen Erkrankung ist nicht von heute auf morgen vorbei. Außerdem bedeutet eine Triggerwarnung nicht, dass ein Leser das Buch nicht kaufen sollte, sondern, dass er einfach vorbereitet an das Thema herangeht und das Buch nur weiterliest, wenn er sich psychisch dazu in der Lage fühlt.

Triggerwarnungen spoilern doch nur den Inhalt!

Ein häufiges Bedenken ist, dass eine Triggerwarnung solche spoilert, die kein Problem mit triggernden Themen haben. Die Kunst ist es also, die Triggerwarnung so zu platzieren, dass niemand ausversehen gespoilert wird, der nicht auf eine Triggerwarnung angewiesen ist. In meinem Gastbeitrag für das Autorennavi findest du ein paar Lösungsvorschläge, wie du eine Triggerwarnung am besten im Buch unterbringen kannst. [Erscheint bald, schau doch einfach nochmal in ein paar Tagen bei Moni vorbei.]

Ansonsten kannst du dir die Bücher Wolfkisses von Katania de Groot oder Flügelschwingen von Dradra und Trici ansehen, die die Triggerwarnungen auf eine andere Art und Weise untergebracht haben, wie ich es bei Nach oben führt auch ein Weg hinab [Spoilergefahr] getan habe. Meine Triggerwarnungen sind auf meiner Webseite zu finden und vorne im Buch verlinkt, sodass Leser sie vor dem Kauf einsehen können.

Ich fand das Thema gar nicht triggernd und es kommt ja nur am Rande vor

Kommt eine Vergewaltigungsszene im Buch vor, über die z.B. nur gesprochen wird, wirkt das auf den ersten Blick nicht so schlimm. Aber bei solchen Themen ist es nicht an dir zu entscheiden, ob diese Szene triggern könnte oder nicht oder leidest du an einem Trauma, weil du einen sexuellen Übergriff erfahren musstest? Was bereits triggert und was nicht, hängt immer individuell von jeder betroffenen Person ab. Die einen können gut darüber lesen, die anderen fühlen sich bereits bei der Ansprache des Themas getriggert. Daher ist es auch nicht hilfreich sich nur die Meinung einer einzelnen betroffenen Person einzuholen, weil diese das Thema anders triggernd empfinden kann, als eine andere.

Nehmen wir das Beispiel „Konsum von Alkohol“. Wirkt jetzt nicht gerade triggernd, wenn sich zwei Freundinnen abends zu einem Glas Wein verabreden, um über ihren Liebeskummer zu sprechen. Vergleichen wir das mal mit einer Diät: Du möchtest abnehmen und plötzlich tauchen von allen Seiten Bilder von Essen auf. Dein bester Freund schickt dir ein Foto von seinem Lieblingsessen, die Nachbarn grillen im Garten und der Duft weht zu dir herüber und auf Instagram gibt’s einen #healthyfoodmonth und jeder postet, was er gerade gekocht hat. Du hast Hunger, weil du mit reduzierten Kalorien arbeitest und heute eigentlich nichts mehr essen solltest, um abzunehmen. Fällt es dir jetzt noch leicht, standhaft zu bleiben und deine Diät beizubehalten? Oder folterst du dich mit all dem Foodcontent nur selbst?

So ähnlich geht es Menschen mit Alkoholerkrankung. Sie wollen wegkommen vom Alkoholkonsum und oftmals hilft nur eine komplette Abstinenz. Wenn sie nun aber ein Buch lesen, um sich vom Gedanken an den Wein am Kiosk um die nächste Ecke abzulenken und die Protagonisten anfangen einen gemütlichen Abend bei einem ebensolchen Glas ausklingen zu lassen, trägt das nicht zu einer Ablenkung bei.

Ich kann doch unmöglich alle Triggerthemen kennen …

Wusstest du, dass es Menschen gibt, die Probleme mit Menschenmengen in Büchern haben?
Oder, dass es Leute gibt, die keine Szenen ertragen, in denen sich ein Mensch übergibt?
Auch ein freudiger Liebesroman kann zum falschen Zeitpunkt triggern.

Wir können nicht alle Themen kennen, die triggern. Aber die wichtigsten Themen sind uns bekannt: Psychische Erkrankungen, Umgang mit dem Tod, Darstellung von Gewalt, Ekelerregende Szenen.

Aber auch ein ganzes Buch kann triggern, ohne eine explizite Stelle zu haben, die erwähnt werden will. Bei Träume aus Nacht und Ewigkeit von Kenzie Phönix schwingt zum Beispiel eine leicht melancholische Stimmung während des gesamten Buches mit, die für Menschen mit Depressionen nicht unbedingt gut zu ertragen ist.

Ich gehe vor der Veröffentlichung meines Buches hin, halte drei Textmarker bereit und beginne den Probedruck noch ein letztes Mal Korrektur zu lesen. Eine Farbe für Rechtschreibfehler, eine für schöne Zitate und eine für Themen, die triggern könnten. Natürlich bin auch ich nicht unfehlbar, weshalb ich die Möglichkeit habe, die Triggerthemen auf meiner Webseite zu ergänzen.

Warum bin ich in der Pflicht eine Triggerwarnung anzubringen? Kann das nicht jemand anderes machen?

Bei Filmen gibt es eine einheitliche FSK Verifizierung, die Buchbranche hängt noch hinterher. Statt ein allgemeines System einzuführen, bei dem die triggernden Themen in verschiedene Klassen eingeteilt werden und auf Anfrage abgerufen werden können, dümpelt jeder seine eigenen Warnung zurecht. Aber irgendwo muss man anfangen, wenn man eine Veränderung anstrebt, oder?

Bei meiner Leserunde auf Lovelybooks habe ich hautnah miterlebt, wie stark mein Buch getriggert hat. Und wie dankbar mir meine Leser für die Triggerwarnungen waren. Ich habe die Szenen kurz zusammengefasst und eine Seitenzahl benannt, ab der gefahrlos weitergelesen werden kann. So konnten meine Leser sich auf die Szenen vorbereiten und sie überspringen, wenn sie nicht in der Lage waren, die Themen in dem Moment zu verarbeiten. Mich hat es gefreut, dass niemand das Buch abbrechen musste. Auch einer Mutter, die das Buch eigentlich ihrer Tochter kaufen wollte, haben die Triggerwarnungen geholfen. Es kommen nämlich Szenen vor, die ich keinem Kind unter 14 Jahren empfehlen würde. Die Mutter hat selbst in das Buch reingelesen, um zu entscheiden, ob ihre 11-jährige Tochter schon so weit ist, die Themen zu verarbeiten. Ohne die Triggerwarnung, hätte sie das Buch vielleicht unvorbereitet an ihr Kind weitergegeben. Du siehst: Gerade bei Jugendromanen ein doppelt so wichtiges Thema.

Fazit

Für mich sind Triggerwarnungen nicht nur ein Dienst für meine Leser, sondern auch die Akzeptanz von psychischen Erkrankungen. Es gibt sie, es gibt jede Menge davon und es ist in Ordnung, wenn man eine hat. Ich möchte Menschen, die sowieso genug Probleme haben, mit den Triggerwarnungen zeigen, dass es in Ordnung ist, sich Zeit zu lassen, sich mit der Erkrankung oder einem Problem zu beschäftigen und es ihnen möglichst einfach machen, den Alltag damit zu bewältigen.

Hast du bereits Erfahrungen mit Triggerwarnung in Büchern gemacht? Wie stehst du zu dem Thema?